Montag, 2. Februar 2009

Once again

Begeistert erzählt er von einem Konzertbesuch, von dem ich schon wusste, denn er hat mir bereits am Vortag davon erzählt. Leider habe ich den Moment verpasst, ihn darauf hinzuweisen. Längst hat er sich in seiner breit ausgeschmückte Anekdote hineingesetzt wie die Made in den Speck. Gutgelaunt parliert er, strahlt übers Gesicht. Und ist - wie schon  gesagt - total begeistert. Ihn jetzt noch auszubremsen, wäre unhöflich. Also erdulde ich die Wiederholung, ohne wirklich zuzuhören, nicke ab und an, in der Hoffnung, so möge es schneller ein Ende finden. Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Konzertbesuch wird noch länger als beim ersten Mal. Und ich höre und erdulde höflich – wie schon gesagt – die Wiederholung.

Nein, der Mann ist weder Greis noch Alzheimer-Patient. Aber ein Symptom. Für die grassierende Repetierungsfreude in meiner Umgebung. Ständig tragen mir Menschen Gedanken und Neuigkeiten zu, die sie mir erst kürzlich schon erzählt haben. Warum aber wird bereits Gesagtes so schnell und unverblümt wieder aufgefrischt? Ist es so wichtig, dass es auf keinen Fall wieder vergessen werden darf? Oder herrscht ein solcher Engpass an Mitteilungen, dass die permanente Reprise ein Vakuum zu stopfen hat? Wenn etwas zu oft gesagt wird, so glaube ich, hat es eine unschöne Zwanghaftigkeit und ist am Ende gar erlogen. Ich aber bin da – wie schon gesagt - zu höflich einzugreifen. Schließlich ist der Wahn der Wiederholung eine Zivilisationskrankheit und bestimmt bin auch ich schon davon infiziert.

Und die Krankheit ist wirklich schlimm! Manche Menschen wiederholen sich bereits innerhalb von drei Minuten, manche sogar mitten im Satz, und als wenn das nicht schon schlimm genug wäre, schieben sie auch noch ein „Wie-schon-gesagt“ dazwischen, damit mir die sinnlose Wiederholung erst richtig bewusst wird. 

2 Kommentare:

Unknown hat gesagt…

Die unfreiwilligen, auf dem Wege der Nötigung entstandenen Once agains vergessen? Man wiederholt, nicht weil man möchte, sondern muß. Weil man nicht verstanden wird, aber dafür haftet, daß die Botschaft ankommt. Weil die Gesellschaft hier im status quo der wichtigsten menschlichen Fähigkeit, der verbalen Kommunikation verlustig gegangen ist!

Anonym hat gesagt…

Ich bekenne mich schuldig. Ich mach das auch. Vor allem an Tagen, an denen ich mit sehr vielen Menschen über sehr viele Themen sehr oberflächlich kommunizieren muss (s. Beitrag von Erika). Ich kann mir dann einfach nicht mehr merken, wem ich was erzählt habe. Was mir besonders am Herzen liegt, wird dann wahrscheinlich in Endlosschleife abgearbeitet...

Ältere Leute machen das auch oft, ohne dass das Gedächtnis gelitten hat. Ich hatte so eine Großtante, die wir Kinder immer besucht haben, WEIL sie ständig die gleichen Geschichten erzählte. Die war damit eine Institution, das lebendige Gedächtnis einer Emigrantenfamilie über Raum und Zeit hinweg. Die kleinen, oft unscheinbaren Geschichten waren so etwas wie - ich klaue dein Wort - Leuchtbojen. Orientierungen im Leben. Sie gaben ihr ihre Identität.

Den Zuhörern, die sich nicht genervt abwandten, gaben sie ihre Wurzeln, stellten sie in eine Reihe von Geschichten mit der eigenen. Ich habe da intuitiv gelernt, dass es auch eine Rolle spielt, wie die immer gleiche Geschichte variiert wird. Als die Tante starb, die Geschichten verschwanden, fielen auch menschliche Beziehungen plötzlich auseinander.

Ähnlich ist es bei der Arbeit mit Zeitzeugen. Ich empfinde es als unheimlich wichtig, sich gerade die wiederholten Geschichten ganz besonders anzuschauen. Und zu sehen, wie sie sich im Kontext verändern...

Es gibt sogar Geschichten, die man wie in einem Ritual wiederholt, weil man sich noch nicht traut, das zu erzählen, was einem wirklich auf dem Herzen liegt. So eine Art Aufruf: Hör mir bitte zu, ich muss erst auftauen, ich habe etwas viel Schwereres zu sagen. Ich teste erst mal, ob du dich gleich abwendest...

Schöne Grüße,
Petra