Sonntag, 21. Februar 2010

PhantomLesung feiert Premiere


Autoren-Lesungen gibt es ja zuhauf, gerade in Berlin, doch diese hier ist etwas ganz Besonderes, eine gewissermaßen dreifach gesteigerte Annäherung an Literatur. Unter dem Motto
Ich sehe was, was du nicht hörst: Die PhantomLesung feiert Premiere werden am 27. Februar in der Begine zum ersten Mal zwei literarische Neuerscheinungen vorgestellt und zwar so, wie man es bislang noch nirgends erlebt hat.

Zunächst lesen die eingeladenen Autorinnen ungesehen hinter einem schwarzen Vorhang aus ihren neuesten Werken, dann wird die Geschichte von Schauspielerinnen pantomimisch fortgeführt und zu guter Letzt treten die lesenden Autorinnen leibhaftig in Erscheinung.

Ausgedacht und durchgeführt wird das ungewöhnliche Konzept von RandaleSistersInk unter der Federführung von Lisa-Marie Dickreiter und Maike Stein. Der einzige Wermutstropfen: da es sich bei dem Veranstaltungsort um ein traditionelles Frauencafé handelt, dürfen Junx und Männer diesmal noch nicht mit dabei sein, es sei denn, sie greifen überzeugend zu Langhaarperücke und anderen treffsicheren Geschlechtsumwandlungsrequisiten.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Mit dem Lasso hören


Eine neue Wahrnehmungsära hat begonnen. Seit vier Wochen fast vollkommener Stille höre ich auf dem linken Ohr
wieder.

Micky-Maus-Stimmen zunächst. Etwas gequetscht, heiser auch und manchmal wie von fern. Geräusche klingen so, als würde ein verkannter Begabter einen Geheimcode auf dem Xylophon rauf- und runter spielen. Auch Sätze klingen - wie Musik.

Ich blicke auf sprechende Lippen, doch das, was ich von dem Gesprochenen höre, höre ich nicht im Ohr, ja nicht einmal am Ohr, sondern wie außerhalb von mir und um gefühlte Millisekunden verzögert. Mir kommt es so vor, als müsste ich - um zu verstehen - das draußen Gehörte zurückholen zu mir. Gedanklich? Intuitiv? Mit dem Lasso?

Meine Augen sollen immer wieder ungewöhnlich weit aufgerissen sein. Gesichtszüge zeigen sich, die man angeblich an mir noch nicht wahrgenommen hat. Was ich da erlebe, ist vor allem eines: bizarr. Aber nicht nur. Ich höre Dinge, die ich schon länger nicht mehr gehört habe. Mal gucken, wie weit ich damit komme.


Samstag, 6. Februar 2010

Heiße Affären


Mit der Musik ist es wie in der Liebe. Es gibt Lebensabschnittspartner, die Liebe fürs Leben und natürlich die heißen Affären, im Volksmund Besenkammer-Stands genannt, bei denen man hinterher nicht dabei gewesen sein möchte. Betrachte ich meine bislang 45 Erdenjahre unter diesem Blickwinkel...

Also das hier war eine heiße Nummer, das auch, das hingegen eher die Parodie von einer. Aber bitte, das waren die 70er Jahre: viel Gymnastik und Textreduktion, das Leben ein heiteres Kostümfest und Auftritte, bei denen mangelhaft verhüllte Brüste noch Skandal machen konnten. Nein, die Verruchtheit dieser Jahre war irgendwie aufgefangen in einer geschmeidig-gefälligen Endlosschleife, die Discosound hieß. Der Hard Rock hatte abgewirtschaftet, die Liedermacher mit dem guten Herzen gingen auf die Nerven und nicht nur am mangelnden Sexappeal zugrunde.

Von Ecstasy und Komasaufen wusste unsereins noch nichts, die Ausschweifungen blieben buchstäblich an der Oberfläche, sie beschränkten sich auf die perfekte Choreografie unserer Leiber, und das war ja auch schon was: Gemeinsam rissen wir Beine und Arme und Hände hoch, schrieen im Kollektiv an der richtigen Stelle und fühlten uns wie John Travolta, bevor er dick wurde und den Scientologen beigetreten ist. Auch wir haben uns weiter entwickelt - aber doch nicht so!

Mittwoch, 3. Februar 2010

"brush up my english" (1) oder "delete"


Mein Englisch ist miserabel, andererseits aber auch nicht so schlecht, dass ich gar nichts verstünde. Turnusmäßig überfällt mich also der Wahn, ich müsste ein Buch in dieser Sprache lesen, natürlich ein besonderes, denn wenn schon, denn schon. Bewaffnet mit
Wörterbuch und Notizheftchen, in das ich buchhalterisch korrekt wegweisend wichtige Vokabeln hineinschreibe.

Und dieses Buch, noch nicht ins Deutsche übersetzt, ist eine echte Perle, und die Motivation es durchzuackern groß, denn das Thema müsste allen Internet-Junkies unter den Fingernägeln brennen. Seit Jahrtausenden, so Viktor Mayer-Schönberger, seien Menschen darauf programmiert, das meiste zu vergessen: Erlebtes wirke wichtiger, Vergangenes unwichtiger, und diese natürliche Selektion sei auch gut so. Nur wer vergessen kann und immer wieder auch frei ist von der Altlast des Vergangenen, sei in der Lage sich den Herausforderungen der Gegenwart zu stellen, sprich: schnell und kompetent Entscheidungen zu treffen und zu handeln.

"Vergessen ist Standard, Erinnern die Ausnahme." So war das also bisher. Das Internet hat dies umgekehrt. Im digitalen (Netz)Leben heißt es jetzt: "Nichts geht verloren, es bleibt", eine Losung, die sich Hildegard Knef einst zusammenfantasierte.
Die Folgen sind noch nicht absehbar. Bleiben unsere Jugendsünden jetzt auf ewig abrufbar? Google weiß mehr über uns als wir selbst. Können wir das wollen?



"Delete. The Virtue auf Forgetting in the Digital Age" schließt mit einem schönen Paradox. Vielleicht nicht unbedingt beim Sprachen lernen - aber ansonsten gilt: Wir sollen wieder vergessen dürfen! Das Vergessen als Kulturleistung muss wieder in Erinnerung gerufen werden. Und Daten im Internet brauchen wie jedes gute Joghurt ein Verfallsdatum.

Freitag, 4. Dezember 2009

Genie und Wahnsinn


Insbesondere durch mein vorletztes Posting ist bei einigen Lesern der Eindruck entstanden, ich hätte Krebs oder eine ähnlich schlimme Krankheit, das ist aber GottSeiDank nicht der Fall, ich fühle mich soweit munter. Die Untersuchungen, von denen ich berichtete, bezogen sich auf meine Schwerhörigkeit, und die interessante, verlockende, aber eben auch aufregende Möglichkeit, mir eventuell ein
Cochlear Implantat einsetzen zu lassen.

Zur Wiedergutmachung jetzt etwas Lustiges und Lehrreiches dazu. Was macht Kreativität erträglich? Wie können wir uns vor den schrecklichen dunklen Löchern schützen, die uns verschlingen, wenn wir keine Ideen mehr haben? Die Autorin Elizabeth Gilbert spricht 18 Minuten lang über Genie und Wahnsinn (mit deutschen Untertiteln).


Heutzutage ist ja alles geklaut - auch dies. Eine Autorenkollegin (die auch sonst mit viel Inspiration gesegnet ist) hat mich auf dieses wunderbare Fundstück aufmerksam gemacht. Dankeschön, Bettina Stackelberg!

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Duell


Wer hochgradig schwerhörig ist (beinahe hätte ich hochkarätig getippt) fragt sich früher oder später, wann das eigentlich so anfing mit dem "schwer hören". Mich verblüffte vor knapp 15 Jahren ein schlauer HNO-Arzt mit der Feststellung, dass ich schon als Kleinkind schlecht gehört habe. Zweifelsfrei beweisen ließe sich das an meiner Aussprache einer einzigen, bestimmten Silbe - welche, weiß ich leider nicht mehr.

Ja, ich erinnere mich: In der Schule saß ich immer vorne, Ausdruck meines außergewöhnlichen Ehrgeizes und Eifers , hieß es. Im Gymnasium war ich in Englisch und Französisch vorbildlich, allein beim Diktat haperte es. Mit Abschreiben kompensierte ich, bis man mir das Blatt wegnehmen wollte. Die Französischlehrerin (über ihre Aussprache wurde in der Klasse übrigens ebenso gelästert wie über meine) duellierte sich mit mir. Wir standen uns gegenüber wie David dem Goliath. Sie zog am einen Ende meiner Schularbeit, ich am anderen, keiner wollte nachgeben. Schließlich ließ ich los, rannte aus dem Zimmer und schlug die Türe zu. Frau Schühlein (sie hieß wirklich so und liest vielleicht mit: Hallo, Frau Schühlein!) folgte mir auf den Gang (jetzt konnten alle anderen abschreiben) und befahl mir zurückzukommen (sie dachte wohl, ich würde aus dem Fenster springen, dabei waren wir im Parterre). Ich sträubte mich zwei, drei Minuten, bis aus ihrer Wut ein sanftes Betteln wurde, dann ging ich mit ihr zurück.

Übermäßig stolz bin ich auf solche Schulepisoden nicht - aber sie erklären einiges.

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Metzgern?


Ich werde geduscht sein, frisch rasiert, die blonden Haare gesund nach oben geföhnt, und gut angezogen sowieso, besser als gewöhnlich, eben genau so, als würde mir ein besonders erfreuliches Ereignis bevorstehen. Dabei ist es nur eine Klinik, die ich betreten werde, um dort über Stunden von einer Untersuchung zur nächsten geschickt zu werden. Warum aber all das im Zustand wie aus dem Ei gepellt?

Ich glaube, ich will den Ärzten verklickern, Vorsicht, ihr Körperinspektoren, vergesst nicht, dass in diesem Fleisch ein veritables Subjekt haust, das erhobenen Hauptes in die Schlacht zieht und sich ungern und nur in Ausnahmefällen zum Objekt machen lässt. Vielleicht ist das aber auch nur ein Bestechungsversuch wie ihn alle Operationsbedürftigen nicht unterlassen können: Hey, guckt genau hin, hier liegt ein Missverständnis vor, bei mir gibt es nichts zu metzgern.