Freitag, 29. Mai 2009

Helft Hitzlsperger!

In der Süddeutschen Zeitung erschien in der Wochenendbeilage vom 23./24. Mai ein großer sensationeller Artikel, merkwürdig, dass er nirgendwo kommentiert wurde. Wir wollen das nachholen. Fast die Hälfte der Seite geht für ein männliches Pin-up drauf. Ein hübscher Kerl im Halbprofil mit tiefem T-Shirt-Ausschnitt, Dreitagebart und einem Schlafzimmerblick, der Frauen und Homosexuelle gleichermaßen beunruhigt.

Doch nicht darum geht es in dem Text, sondern um ein viel sensationelleres Doppelleben, das der 27-jährige Thomas Hitzlsperger führt. Der Kapitän des VfB Stuttgart liest Bücher. Romane. Hochliteratur. Quel Tabubruch! Dass Fußballer auch Bücher lesen, wusste ich bisher nicht.

Gleich drei Lieblingsbücher des Alphabeten Hitzlsperger haben die Layouter der Süddeutschen Zeitung vor lauter Begeisterung mit Cover abgedruckt: Roger Willemsen, Clemens Meyer  und J.M. Coetzee – ein echter Nobelpreisträger! In den Schoss fiel dem Mittelstürmer die anspruchsvolle Liebe nicht. Harte Arbeit wie auf dem Rasen war das: „Ich habe mich herangekämpft; von der Zeitung über Sachbücher zur Literatur.“  

Der Artikel endet melancholisch. Als fortgeschrittener Romanleser ist die Spitzenkraft am Fußballplatz  zum Entwurzelten geworden. Er hat, und die Trauer darüber ist nicht zu überlesen, „leider niemanden, mit dem er über Bücher reden kann.“ 

Wer Kontakt aufnehmen möchte: www.thomas-hitzlsperger.de


Freitag, 22. Mai 2009

Franz Kafka trifft Laura Ashley

         Berlin, Berlin... Meine Favoriten (2)

Der große Erfolg des Leipziger Malers Neo Rauch, so wird mitunter gelästert, hätte auch damit zutun, dass seine figürlichen Bilder unendlich Stoff für Interpretation und Analyse böten. Endlich haben Kunstkritiker wieder etwas zu tun, können sich am narrativen Überschwang dieser Rätselbilder abarbeiten, zigfach Anspielungen auf Mythologie und Geschichte entdecken und damit spielend und kompetent das Feuilleton füllen.

Unabhängig davon, ob man Rauch so überhaupt gerecht wird, mir geht es genauso. So sehr ich Abstraktion an der Wand zu schätzen weiß – etwa die filigranen Bleistiftzeichnungen von Cy Twombly – gehöre ich doch zu den Zeitgenossen, die sich jedes Mal unbändig freuen, wenn ihnen Malerei  (über ihr formalästhetisches Gelingen hinaus) etwas zu erzählen hat. Nur ungewohnt und schwebend sollte es sein und bitte ein bisschen rätselhaft – so dass auch der hundertste Blick das Werk noch nicht restlos ausgeschöpft hat.




Die kleinformatigen, bemalten Collagen, die der Berliner Jakob Roepke seit Mitte der 90er herstellt, erfüllen diese Bedingungen aufs Schönste. Der Plot: Menschen werden grotesken, unerwarteten und meistens etwas unbehaglichen häuslichen Szenen ausgesetzt, die sie dann stoisch meistern dürfen. Sie treten in einen spielerischen Zweikampf mit überdimensionierten Tieren, wild gewordenen geometrischen Formen oder den architektonischen Merkwürdigkeiten des kleinen Zimmers, in das sie der Maler hineingesteckt hat. Dass den agierenden Figuren etwas Tänzelndes und zugleich Somnambules anhaftet, nimmt nicht wunder. Jakob Roepke hat sie aus alten Yoga-Handbüchern ausgeschnitten oder der Jiu-Jitsu-Kampfkunst abgeschaut. Die Kulisse wiederum ist den farbigen Mustern von Geschenkpapier zu verdanken - sie geben die nostalgische Grundstimmung vor.



Ich mag diese Collagen sehr. Die sanfte Irritation, die von ihnen ausgeht, regt mich an. Die Poesie rührt mich, die Rätsel will ich ergründen. Jedes dieser mittlerweile über 700 Miniaturbilder (13x12 cm) ist anders, und doch hängen sie inhaltlich und atmosphärisch zusammen: A never ending Story also. 

Immerzu denke ich an Sisyphus und Buster Keaton. Hier paart sich das Monströse mit dem Putzigen, das Wundersame mit dem Unheimlichen. Oder wie umwerfend richtig geschrieben wurde: in Jakob Roepkes Bildern trifft Franz Kafka auf Laura Ashley. Kontakt


Montag, 11. Mai 2009

Sparwitz


Geht der Cowboy zum Friseur - Pony weg!

(Ich danke Beatrice für diesen wunderbaren Blog-Eintrag, demnächst geht's im gewohnten Niveau weiter.)

Montag, 4. Mai 2009

Sogar der Klappentext stimmt


Heute wollen wir ein Buch ins Bewusstsein heben, das kurz davor ist, zum Bestseller zu werden, was es ohne jeden Zweifel auch verdient hätte. Ich habe es mit Atemlosigkeit gelesen, so spannend fand ich es, und gut geschrieben zudem.




Ein nervenaufreibender Thriller mit vielen unerwarteten Wendungen, der in seiner Aufsplitterung in mehrere wechselnde Erzählperspektiven originell konstruiert ist. Am Ende übertreibt der Autor, weil er - was Überraschungseffekte betrifft - unbedingt noch eins draufsetzen will, und einige logische Ungereimtheiten sind auch nicht ganz von der Hand zu weisen. Warum aber dennoch meine Begeisterung?  
  
Weil es hier nicht allein darum geht, Leser mit Herzklopfengefühl zu unterhalten, sondern weil der Roman eben auch interessante Aussagen über die zeitgenössische Gesellschaft macht. Etwa darüber wie Opfer, denen Gewalt angetan wird, selbst zu Tätern werden. Und das wird in der vordergründigen Thrillerhandlung so schlüssig  und beklemmend vorgeführt, dass es mich mehr überzeugt als eine wissenschaftliche Gesellschaftsanalyse. Eine ziemlich pessimistische Diagnose über "eine Welt, in der wir der Gewalt nicht mehr ausweichen können". Dieses Zitat stammt aus dem Klappentext - und es ist einer der wenigen Fälle, die ich kenne, wo der Klappentext auch zutrifft.