Dienstag, 27. Januar 2009

Werfe ich Leuchtbojen in die Welt?

Zwischen 16 und Mitte Zwanzig, als ich schon in Erlangen studierte, schrieb ich Tagebuch. Ein Dutzend dicke Schreibhefte, vorwiegend kariert, wurden von mir mit blauer Tinte voll gekritzelt. Handys und PCs waren noch nicht verfügbar, dass jemand sein Tagebuch auf Schreibmaschine geschrieben hätte, schien auch nicht vorstellbar. Schnappe ich mir heute eines dieser Tagebücher und lese darin, bin ich wie gefesselt. Gruseln, Rührung, aber auch Verblüffung wechseln einander ab. In den Selbstfindungstiraden, die jeden Pubertierenden adeln, verbergen sich kleine Fundstücke überraschender Weitsicht. Der 44-Jährige von heute steckte auch schon zwischen diesen Zeilen.

Jetzt treibt’s mich wieder ins alltägliche Schreiben. Nur heißt es heute Bloggen und vieles ist anders, aber vieles auch nicht. Wenn es ernsthaft betrieben wird (und davon wollen wir hier doch ausgehen), bedarf auch das Bloggen der Kontinuität und der Konzentration. Und ob Papier und Tinte oder Tastatur und WorldWideWeb, die Gedanken fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen im Kopf, und den sprachlichen Ausdruck dazu zu finden, nimmt mir keine Maschine der Welt ab.

Doch warum blogge ich? Sicherlich nicht mehr aus denselben Gründen, aus denen ich einst ein analoges Tagebuch schrieb - wie man heute korrekt sagen muss. Und natürlich passt dieser Blog auch zu meinem Beruf als Journalist, Publizist und Autor - sie alle schreiben für die Öffentlichkeit und wollen Öffentlichkeit erreiche. Aber das erklärt mein Tun nicht allein. 

Ist es der Drang, Leuchtbojen in die Welt hinauszuwerfen und zu gucken, wer mich sieht? Und wenn ich gesehen werde, dann die Bestätigung und die Erleichterung: Ach, ich bin noch da? 

Ich weiß es nicht, und doch wird mich diese Frage noch länger beschäftigen, besonders am kommenden Sonntag.

Donnerstag, 22. Januar 2009

Irrtum und Zuckerwatte


Folgenden Satz habe ich kürzlich gelesen - ich weiß leider nicht mehr wo - und er gibt mir schön zu denken: "Eindeutigkeit ist so fad wie der Tod." Auf Gebrauchsanweisungen trifft das nicht zu, auf Politikerreden sicherlich auch nicht, aber ansonsten doch auf sehr viele Bereiche des Lebens. Gewiss passt er zur Literatur. 

Es war das Erfolgsrezept von Franz Kafka, dem vielleicht großartigsten Schriftsteller des 20. Jahrhunderts. Stets war er eindeutig mehrdeutig und deshalb den Machthabern in autoritären Regimen vielfach ein Dorn im Auge.  Seine Mehrdeutigkeit war so ausgefuchst präzise, dass man Kafka nirgendwo eindeutig instrumentalisieren konnte. Nun höre ich manchmal von Lesern, sie hätten den Schluss eines Romans oder einer Geschichte nicht verstanden, was sie dann hörbar missgelaunt dem Autor in die Schuhe schieben.  Oft genug ist das ein Irrtum. Ein sehr schöner Irrtum! 

Denn in der Regel haben diese Leser den Roman sehr wohl verstanden,  nur sind sie unangenehm berührt, weil der Autor ihnen ein offenes oder zumindest zweideutiges Ende aufgetischt hat. So aber möchte man ungern von einer erzählten Geschichte scheiden, wenigstens zum Schluss werden klare Verhältnisse gewünscht, und kein Ausgang voller Irritationen oder Doppeldeutigkeiten. So erklärt sich wohl auch die kulturübergreifende Vorliebe fürs Happy-End. Hier steckt das Ende auch noch in Zuckerwatte fest. 

Lernen kann man da vom Märchen: "Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute", heisst es da. Eindeutig ist das Ende auch hier nicht. Aber ich habe es verstanden.

Dienstag, 20. Januar 2009

Nachbarschaft



Können diese Knopfaugen lügen? Die versteckten Zähne zubeißen? Das Gebiss morden? Natürlich nicht! Doch ich soll, wenn nicht täglich, so doch zweimal in der Woche umgestimmt werden. 

Im schönen Kreuzberg wohnen wir in einer Straße, in der die türkischen Mitbürger die Hälfte der Mieter stellen, und bei den Türken werden Hunde zwar nicht gegessen (wie etwa in Thailand, wie mir ein Freund gerade berichtet hat), doch sie erfreuen sich auch nicht großer Beliebtheit. Leider. Mit bedrückender Regelmäßigkeit verscheucht unser herzensguter Mops Türken jeden Alters,  jeden Geschlechts und jeder körperlichen Verfassung durch seine bloße Erscheinung. Nein, es sind nicht nur Kinder, sondern auch zusammenstehende türkischen Frauen, die wegen Eduard-Paul kreischend auseinander laufen. Selbst gestandene Mannsbilder aus Anatolien, die ich mir eigentlich zum Bodyguard wünschen würde, lassen sich so in die Flucht schlagen. 

Mein Bestreben aufzuklären haben keinen Erfolg. Beschwichtigungen à la "Hund beisst nicht!", "Hat noch mehr Angst als ihr!" erscheinen erst recht als Indiz für die Gefährlichkeit von Eduard-Paul, der oft auch für einen Kampfhund gehalten wird. Gibt es schlimmere Reaktionen? Ja. Wenn jemand ohne jeder Begrüßung fragt: "Was kostest DAS denn?" Kam schon vor, und nicht nur bei Türken. 

Wer Angst vor dem Mops hat oder sich gar einen zulegen möchte, liest hier weiter. Wer lesefaul ist, guckt hier. Die gute Nachricht für alle: Der Hype um Möpse auf vier Beinen hat ihren Höhepunkt überschritten. Wer sich jetzt einen zu sich ins Haus holt, hat mit Sicherheit die nötige Reife. Denn er entscheidet von Modewellen unbeeinflusst.

     

Samstag, 17. Januar 2009

Frau Niemand

Die in meinem vorletzten Blog eingerichtete Rubrik „Öffentlich Wasser predigen, aber heimlich Wein trinken“ wurde, wie ich mittlerweile weiß, nicht so verstanden, wie von mir beabsichtigt. Es handelte sich dabei um ein Zitat der Transporteurin überkommener Geschlechterklischees Rosamunde Pilcher... Selbstverständlich geht dies allein zu Lasten des Schreibers: Wichtig ist was ankommt, nicht das, was gemeint war. 

Trotzdem möchte ich an der Idee einer kleinen regelmäßigen Rubrik festhalten. Und taufe jetzt alles einfach um in: „Von den Alten lernen oder Was mir heute Morgen beim Aufstehen geholfen hat" und lasse diesmal Hanna Schygulla zu Wort kommen, wobei die Ex-Fassbinder-Muse mit ihren 65 Jahren streng genommen zu den sehr jungen Alten gehört. Die Schauspielerin und Gelegenheitschansonette, die um Haaresbreite ein veritabler Weltstar geworden wäre, sagte anlässlich ihres letzten Wiegenfestes: „Man muss auch ein Niemand sein können. Nur so bist du fähig, dich in andere hineinzuversetzen“. 


Freitag, 16. Januar 2009

Rache ist süß


Erste gute Nachricht im neuen Jahr! "Lola" ist zurück. Die Schauspielerin Franka Potente, die als rennende Underground-Berlin-Göre ihren Filmruhm begründete und damals für den Aufschwung des jungen deutschen Autorenkinos sorgte,  steht vor einem großartigen Comeback. Naja, Comeback trifft's nicht ganz, eher ist's eine Erweiterung von Frankas Portfolio. Gemeinsam mit dem gewesenen Bodybuilder Karsten Schellenberg schuf sie ein Buch, das erklärt, wie es ihr gelingt trotz mangelnder Disziplin "schlank und fit zu bleiben". Spannend, nicht? 

Das Buch, das auch Fast-nicht-Leser erreichen könnte - 152 Seiten mit vielen Fotos und noch mehr Illustrationen - präsentiert  nicht weniger als "das coole Workout von Weltstar Franka Potente". An Rezensionsexemplaren wird kein Mangel herrschen, der Spitzentitel, der im schönen Trimm-Dich-Monat Mai erscheint, hat eine Startauflage von 100.000. Fleißig Anzeigen geschaltet werden in Gazetten, denen das frauliche Wohlbefinden wichtig ist: Brigitte, Woman, Annabelle, emotion, freundin...  

"Das Gute an dem Buch ist", so Franka Potente, "dass man für die Übungen keine Sportgeräte kaufen muss, sondern es reichen Stuhl, Handtuch und einige Bücher." Hier pocht das Herz des Weltstars hörbar für die Sozial Bedürftigen, wenn nicht Obdachlosen, die bei allen Widrigkeiten ihrer Situation ebenfalls ein Recht auf Fitness und Schlanksein haben. Die engagierte Aktrice weiß nämlich, wovon sie spricht. Ihr verarmter sizilianischer Urgroßvater war Dachdecker, der im 19. Jahrhundert nach Deutschland gekommen ist. Sicherlich wäre er damals froh über dieses Buch gewesen, gleichwohl er sich vermutlich am Preis gestoßen hätte 16,95 Euro, und nicht mal Hardcover... 

Vielleicht ist alles aber auch ganz anders. Und "Kick Ass - Das alternative Workout" ist Franka Potentes Rache an Deutschland, weil man ihr kurzfristig die Hauptrolle in der Verfilmung der "Päpstin" genommen hat, nachdem der dafür vorgesehene Regisseur Volker Schlöndorff gefeuert wurde? Und Franka sagt durch die Blume zu uns leckt mich!

Samstag, 10. Januar 2009

Emanzipiert


Öffentlich Wasser predigen, aber heimlich Wein trinken. Erste Folge. 

Rosamunde Pilcher, Tochter eines Marineoffiziers und Queen of Kitsch und Happy-End, gestand jetzt "Ich finde es kleinlich, die Jackentasche eines Mannes zu durchsuchen, wie manche Frauen das tun, weil der Mann eine Freundin in der nächsten Stadt hat."