Zwischen 16 und Mitte Zwanzig, als ich schon in Erlangen studierte, schrieb ich Tagebuch. Ein Dutzend dicke Schreibhefte, vorwiegend kariert, wurden von mir mit blauer Tinte voll gekritzelt. Handys und PCs waren noch nicht verfügbar, dass jemand sein Tagebuch auf Schreibmaschine geschrieben hätte, schien auch nicht vorstellbar. Schnappe ich mir heute eines dieser Tagebücher und lese darin, bin ich wie gefesselt. Gruseln, Rührung, aber auch Verblüffung wechseln einander ab. In den Selbstfindungstiraden, die jeden Pubertierenden adeln, verbergen sich kleine Fundstücke überraschender Weitsicht. Der 44-Jährige von heute steckte auch schon zwischen diesen Zeilen.
Jetzt treibt’s mich wieder ins alltägliche Schreiben. Nur heißt es heute Bloggen und vieles ist anders, aber vieles auch nicht. Wenn es ernsthaft betrieben wird (und davon wollen wir hier doch ausgehen), bedarf auch das Bloggen der Kontinuität und der Konzentration. Und ob Papier und Tinte oder Tastatur und WorldWideWeb, die Gedanken fallen nicht vom Himmel, sondern entstehen im Kopf, und den sprachlichen Ausdruck dazu zu finden, nimmt mir keine Maschine der Welt ab.
Doch warum blogge ich? Sicherlich nicht mehr aus denselben Gründen, aus denen ich einst ein analoges Tagebuch schrieb - wie man heute korrekt sagen muss. Und natürlich passt dieser Blog auch zu meinem Beruf als Journalist, Publizist und Autor - sie alle schreiben für die Öffentlichkeit und wollen Öffentlichkeit erreiche. Aber das erklärt mein Tun nicht allein.
Ist es der Drang, Leuchtbojen in die Welt hinauszuwerfen und zu gucken, wer mich sieht? Und wenn ich gesehen werde, dann die Bestätigung und die Erleichterung: Ach, ich bin noch da?
Ich weiß es nicht, und doch wird mich diese Frage noch länger beschäftigen, besonders am kommenden Sonntag.