Donnerstag, 28. August 2008

15 Minuten


Was ist das schlimmste, das man extrovertierten, viel zu unruhigen Menschen aufbürden kann? Genau: sie zu zwingen, still zu sitzen, nichts zu tun, am besten auch gar nichts zu denken. Von berufener Seite wurden mir persönlich 15 Minuten aufgebürdet, jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen. Sitzposition entspannt, Rücken gerade, Augen geschlossen, und dann Stille, außen darf sich nichts bewegen, innen alles...

So viel Zeit habe ich gar nicht zur Verfügung, dachte ich zunächst und im Ernst, schließlich bin ich Freiberufler mit Hund und habe dies und das und noch viel mehr Tag für Tag zu erledigen. Mein diplomatischer Versuch, das Ganze auf zehn Minuten herunterzuhandeln, wurde abgeschmettert.  Wohl mit gutem Grund. Fünfzehn Minuten sind lang, deutlich länger als zehn. Und Ziel ist es ja zur Ruhe zu kommen...

Was wirklich schwer ist. Wie alle Journalisten bin ich ein Vielfraß des Äußerlichen, der alles in seiner Umgebung aufsaugt - fast zwanghaft -,  weiterverarbeitet und dabei sichtlich aufblüht. Ein Wiederkäuer, wenn auch auf höchstem Niveau. Wahrnehmen nach Innen hingegen... Wie macht man das? Vielleicht ist da gar nichts? Oder viel zu viel, dass es mich gefährlich überschwemmt?  Wahrnehmen nach innen - ehrlich - ich glaub', ich hab's nie praktiziert. Wich lieber aus. Mir fällt Hanna Schygulla ein, die einmal meinte: Das, was man in seinem Leben am meisten gemieden hat, wird man irgendwann später erst recht tun müssen. So gesehen bin ich ja vielleicht früh dran.

Freitag, 15. August 2008

Lisa


Die Toskana sei auch nicht mehr das, was sie einmal war. Tempi passati. Von den Deutschen, die sich hier vor 20, 30 Jahren niedergelassen haben, seien viele zurückgekehrt, die alten Netzwerke gäbe es kaum noch, die Italiener blieben unter sich, sagt mit Wehmut die Vermieterin unseres kleinen Ferienhauses, eine gebürtige Bayerin, die in Chianti Senese eine wunderbare Weberei aufgebaut und das Geburtstagsgeschenk für meine Mutter in Handarbeit hergestellt hat. 

Begeistert bin ich von den  Toskana-Vorurteilen, die zutreffen. Prima gegessen, Preise passabel. Hausweine, bei denen die Zungen schnalzen. Schinken, bei dem der Gaumen orgasmiert. Würden wir in München leben, wären es Schnäppchen. Dann die Siesta, die jeden in die Knie, nein die Horizontale zwingt, der Zypressen-Wahnsinn, die Laufstegtauglichheit der Signorinas ... Nur dass die Italiener stundenlang essen würden, ist zu korrigieren. Nach dem letzten Gang drängeln die Kellner mit dem Espresso. Mein Wunsch, zuerst noch einiges an Wein zu konsumieren, stößt auf Irritationen. 

Aber man fährt ja gar nicht in fremde Länder, um diese zu erkunden, man schüttelt ab, was geht: die eigene Wohnung, das Büro, die immer gleichen Arbeits-, Einkaufs- und Gassiwege, das Umfeld, das man liebt und doch manchmal so an einem klebt, dass man glaubt, man komme nie mehr vom Fleck. Dafür ist Urlaub wohl da. Dass der Klebstoff seine Macht verliert. Nach einer Woche in irgendeiner Ferne verschwinden quälende Gedanken und machen verwegenen Platz. Bei mir ist es diesmal der unbedingte Wunsch, eine Dogge an meiner Seite zu wissen. Eine Dogge wie Lisa eine ist. So schwer, so groß, so zahm, so schön.  Eine Stute von einer Hündin. Doch erst brauche ich das Anwesen dazu.