Samstag, 27. Dezember 2008

Sonntag, 14. Dezember 2008

Das Krönungswerk des Teufels


"Endlich habe ich es geschafft", sagte die ältere, seit einigen Jahren verwitwete Dame und strahlt übers ganze Gesicht, "endlich bin ich 80!" 

Umgeben ist sie von Freundinnen und Bekannten und vielen Verwandten, der Tochter, dem Schwiegersohn, den Enkeln, den Schwestern, Nichten und Neffen und sogar einem Mops. Alle halten ein voll gefülltes Sektglas hoch - von den Kindern und dem Mops selbstverständlich abgesehen - und wollen anstoßen, doch noch ist es nicht soweit, die Jubilarin bedankt sich bei allen Gästen fürs Kommen und hat noch etwas mitzuteilen, so viel Zeit müsse schon sein, gerade mit 80, ihr seien nämlich vor kurzem ein paar schöne Zeilen zugeflogen, sinnreiche und einleuchtende Zeilen, die jetzt vorzutragen, ihr mehr als passend erscheine, Zeilen der Heiligen Teresia von Avila, die schon über 425 Jahre tot sei, doch was sie da geschrieben hätte, wäre durchaus von Bestand und es füge sich zudem ausgezeichnet, dass sie als Älteste hier im Raum den kleinen Text vortrüge, der eigentlich ein Gebet sei und den Titel habe "Gebet des älter werdenden Menschen" und so hob Ursula an und rezitierte und alle Gäste, selbst die Allerkleinsten und sogar der erst zweieinhalb Jahre alte Mops, lauschten dem Geburtstagskind mit großem Gewinn:

"O Gott, Du weisst besser als ich, 
dass ich von Tag zu Tag älter 
und eines Tages alt sein werde.

Bewahre mich vor der Einbildung, 
bei jeder Gelegenheit und zu
jedem Thema 
etwas sagen zu müssen.



Erlöse mich von der grossen Leidenschaft, 
die Angelegenheiten
anderer ordnen zu wollen.

Lehre mich, nachdenklich aber nicht grüblerisch,

hilfreich aber nicht diktatorisch zu sein.

Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheit 
erscheint es mir ja schade, sie nicht weiterzugeben 
- aber Du verstehst,
o Gott, 
dass ich mir ein paar Freundinnen erhalten möchte.

Lehre mich schweigen 
über meine Krankheiten und Beschwerden.

Sie nehmen zu - und die Lust, sie zu beschreiben, 
wächst von Jahr zu Jahr.


Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, 
mir die Krankheitsschilderungen anderer 
mit Freuden anzuhören, 
aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen. 

Lehre mich die wunderbare Weisheit, 
dass ich mich irren kann.


Erhalte mich so liebenswert wie möglich.

Lehre mich, an anderen Menschen 
unerwartete Talente zu
entdecken, 
und verleihe mir, o Gott, die schöne Gabe, 
sie auch zu erwähnen

Ich möchte keine Heilige sein 
- mit ihnen lebt es sich so
schwer -, 
aber eine alte Griesgrämin
ist das Krönungswerk des Teufels."


Mittwoch, 10. Dezember 2008

Gefährlich nah


Was mich an Mode und Lifestyle besonders fasziniert, sind die haarsträubenden Zusammenhänge, die sich von dort aus zum großen Ganzen ziehen lassen. Rückt der Rocksaum nach oben, zieht die Konjunktur an, feiert das Karomuster ein Comeback, gibt es ein konservatives Rollback, und wenn die Krawatten schmäler werden, bricht garantiert bald der Mittelstand zusammen. All das ist totaler Quatsch und völlig richtig. Gestern zum Beispiel suchte ich nach neuen Schuhen und besuchte ausgeruht und kaufwillig Berlins größte und auch teuersten Schuhläden. Was sah ich? Nur schwarze, braune, beige Schuhe. Zum Verwechseln gleich. Ein karminroter Halbschuh war das höchste an Abwechslung. So trostlos und düster und absatzlos wie die wirtschaftliche Lage, ist es in der Herrenabteilung der Schuhläden schon immer gewesen. Muss man, bloß weil man mit einem Penis geboren wurde, immer in so langweiligen Fußkleidern herumlaufen?

Das sind Momente, wo ich gerne eine Frau wäre. Ich beneide sie um ihre Schuhabteilungen. Ach, wenn das alles wäre! Ich beneide sie auch um ihre Handtaschen! 

Fast ganze Kaufhaus-Etagen sind voll davon. Plastik, Hirschleder, Pappe. Prada, Gucci, Fendi. Alle Größen, alle Farben! Was für eine paradiesische Auswahl! Wohin aber sollen Männer Geldbörse, Autoschlüssel, Handy und Kondom, Taschenmesser und iPod stecken? Über Handgelenktäschchen, wie sie in den 70er Jahren modern waren, ist die Herrenhandtaschen-Industrie bis heute kaum hinaus gekommen. Natürlich gibt es Rucksäcke und diverse Umhängemodelle aus LKW-Planen. Aber zählen die wirklich? So laufen Männer bis heute mit von Geldbörsen und Handys ausgebeulten Hosen und Jackentaschen herum. Oder es baumelt am Gürtel der Schlüsselbund - gefährlich nah an den Genitalien. 

Schuh- und Handtaschenabteilungen zeigen erschütternd unverblümt, wie groß die Unterschiede zwischen Männern und Frauen tatsächlich sind. Riesengroß! Früher habe ich diesen Unterschied noch klein geredet, wenn nicht gar bestritten....