Prima verzichten kann ich auf Autos, pilzförmige Propangasheizer, die Europafußballmeisterschaft, Fertigsuppen, Jacken mit Solarmodul auf dem Kragen, in allergrößter Not sogar auf Sex, doch niemals auf mein Lieblingsgetränk. Würde mir Kaffee eines Tages nicht mehr schmecken, wäre ich ein Schatten meiner selbst oder toter Mann.
Ich muss ihn trinken, zu Beginn des Schreibens, am Ende, währenddessen, ja eigentlich immer, um kreativ sein zu können. Einbildung? Ja. Wie das meiste im Leben, Argumente kaschieren nur, und Vorurteile sind gemein. Teetrinker halte ich für esoterisch, blutleer, hanseatisch-gespreizt. Doch man kann sich ja ändern. Alle meine Partner konnten ihren Kaffeekonsum durch mich steigern oder wurden so überhaupt erst zu Kaffeetrinkern. Kein Wunder: Kaffee wird hier stets frisch gemahlen, im Filter aufgegossen, die Milch vorher gewärmt. Irgendetwas Hochgeschäumtes oder mit Sirup aufgepeppte Varianten brauchen wir nicht, ebenso wenig ein halbes Dutzend Abfüllgrößen (von s bis xxl).
Die Verelendung, in die der Kaffeegenuss heute abgerutscht ist, macht mich depressiv. Uniformierte Coffeshop-Ketten wie Starbucks slumisieren die Städte. Omi-Cafés à la Kuchenparadies sind verschwunden. Die Krönung des Gaumens wird achtlos aus Pappbechern und von Plastikschnäbeln geschlürft. Es ist zum Weinen. So kann ich nur andächtig auf die Knie gehen vor einem Buch wie „Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen“, geschrieben von der Gourmetjournalistin Katja Mutschelknaus.
Zugegeben das Werk, das im Schnelldurchlauf 300 Jahre Kaffeekultur bewältigen möchte, gerät im zweiten Teil reichlich anekdotisch, was die allzu lockere Gliederung schon ankündigte. Doch Thema, Aufmachung und Stil sind so reizend, dass man das Buch trotzdem empfehlen möchte. Es half mir zudem meine Abneigung gegenüber Günter Grass endgültig zu zementieren. Beschrieb der doch in "Örtlich betäubt" Damen beim Kaffeekränzchen als "Kuchenfressende Pelztiere mit Hut". Da ist mir sogar Udo Jürgens lieber und vor allem natürlich der Architekturhistoriker Sigfried Giedion. Der schrieb, während er das Aroma seines Kaffees genoss: "Auch in einem Kaffeelöffel spiegelt sich die Sonne."