Mittwoch, 25. Juni 2008

Mein Kaffeelöffel


Prima verzichten kann ich auf Autos, pilzförmige Propangasheizer, die Europafußballmeisterschaft, Fertigsuppen, Jacken mit Solarmodul auf dem Kragen, in allergrößter Not sogar auf Sex, doch niemals auf mein Lieblingsgetränk. Würde mir Kaffee eines Tages nicht mehr schmecken, wäre ich ein Schatten meiner selbst oder toter Mann.

Ich muss ihn trinken, zu Beginn des Schreibens, am Ende, währenddessen, ja eigentlich immer, um kreativ sein zu können. Einbildung? Ja. Wie das meiste im Leben, Argumente kaschieren nur, und Vorurteile sind gemein. Teetrinker halte ich für esoterisch, blutleer, hanseatisch-gespreizt. Doch man kann sich ja ändern. Alle meine Partner konnten ihren Kaffeekonsum durch mich steigern oder wurden so überhaupt erst zu Kaffeetrinkern. Kein Wunder: Kaffee wird hier stets frisch gemahlen, im Filter aufgegossen, die Milch vorher gewärmt. Irgendetwas Hochgeschäumtes oder mit Sirup aufgepeppte Varianten brauchen wir nicht, ebenso wenig ein halbes Dutzend Abfüllgrößen (von s bis xxl). 

Die Verelendung, in die der Kaffeegenuss heute abgerutscht ist, macht mich depressiv. Uniformierte Coffeshop-Ketten wie Starbucks slumisieren die Städte. Omi-Cafés à la Kuchenparadies sind verschwunden. Die Krönung des Gaumens wird achtlos aus Pappbechern und von Plastikschnäbeln geschlürft. Es ist zum Weinen. So kann ich nur andächtig auf die Knie gehen vor einem Buch wie „Kaffeeklatsch. Die Stunde der Frauen“, geschrieben von der Gourmetjournalistin Katja Mutschelknaus. 

Zugegeben das Werk, das im Schnelldurchlauf 300 Jahre Kaffeekultur bewältigen möchte, gerät im zweiten Teil reichlich anekdotisch, was die allzu lockere Gliederung schon ankündigte. Doch Thema, Aufmachung und Stil sind so reizend, dass man das Buch trotzdem empfehlen möchte. Es half mir zudem meine Abneigung gegenüber Günter Grass endgültig zu zementieren. Beschrieb der doch in "Örtlich betäubt" Damen beim Kaffeekränzchen als "Kuchenfressende Pelztiere mit Hut". Da ist mir sogar Udo Jürgens lieber und vor allem natürlich der Architekturhistoriker Sigfried Giedion. Der schrieb, während er das Aroma seines Kaffees genoss: "Auch in einem Kaffeelöffel spiegelt sich die Sonne."



5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ach jueb,
komm in das Land, wo man die Revolution sogar wegen der Kaffeepreise vorantrieb...

Mit herzlichem Prost,
Petra, die sich jetzt einen Café au lait genehmigt: doppelter Espresso aus frischem Arabica-Cefé aus Kolumbien plus heiße, ein wenig schaumig geschlagene Milch, Rohrzucker rein und bei Belieben ein Stäubchen (mehr nicht) Zimt darauf...

jueb hat gesagt…

ja... so achtsam zubereiteter Kaffee kann dir nur gegönnt sein :-)

herzlichst nippend (Wein)
jueb

Anonym hat gesagt…

Ich bin ein Teetrinker und Starbucks Caramellmacchiato-Fan... aber ich schwöre: Ich bin NICHT esoterisch!

:-)

Liebe Grüße
Lisa (Ich kann dich ja verstehen, wenn ich sehe, wie manche Leute ihren Tee trinken...)

Inge Löhnig hat gesagt…

Hallo jueb,

nun bin ich wieder zuversichtlich: Du wirst Dühnfort mögen. Ohne einen Espresso doppio, den er mit Billlingtons Unrefined Dark Muscovado Sugar süßt, ist er nur ein halber Mensch.

Im Dritten Fall habe ich ihm sogar eine Pavoni fürs Büro spendiert, denn das Leben ist zu kurz, um schlechten Kaffee zu trinken,

denkt die Inge,
die sich jetzt einen Cappuccino mit cremig schaumiger Milch machen wird.

jueb hat gesagt…

.. was für ein sympathischer Kommissar!

Wenn er nun auch noch den Mörder bzw. die Mörderin findet - ich gehe mal vorschnell davon aus - ist ja alles paletti!

Herzlichst
jueb