Sascha Lobo, inoffizieller Vorstand der digitalen Bohème und landesweites Vorbild unabhängigen Bloggens, wirbt neuerdings für ein Mobilfunkunternehmen. Gegenüber enttäuschten Fans und anderen Neidhammeln verteidigt er sein Engagement im aktuellen Vodafone-Spot – Zielgruppe „Generation Upload“ - mit dem Hinweis, dass er ohnehin schon immer für die Werbung gearbeitet hätte und zudem iPhones von anderen Anbietern besäße. Wo läge also das Problem?
Das Problem besteht darin, dass sobald genug Euroscheine winken, geistige Unabhängigkeit und Haltung in den Urlaub fahren. Aber auch der muss ja erstmal finanziert werden. Noch schlimmer ist es bei der BILD-Zeitung, da geht solcher Ethos schon ohne Bestechungsgeld flöten. Prominente wie Veronica Ferres, Katharina Witt oder Johannes Kerner werben derzeit auf Litfasssäulen für das Boulevardblatt mit der verlockenden Reichweite von 11,5 Millionen Lesern. Dass ihr Honorar einem guten Zweck zufloss, tröstet so wenig, wie die Insiderinformation, dass von gut 2000 angeschriebenen Prominenten nur eine Handvoll dazu bereit war, bei der Kampagne „Ihre Meinung zu Bild?“ mitzumachen.
Wie sie sich nun dabei spreizen, um ja nicht den Eindruck zu erwecken, sie würden sich Deutschlands Schmutzblatt Nummer Eins anbiedern, es aber letztendlich doch tun, ist grauenerregend verlogen. Kerner, noch TV-Onkel des Öffentlich-Rechtlichen (er wechselt 2010 zum Privatsender Sat 1, hat also nichts mehr zu verlieren) mahnt, er wünsche sich von BILD „etwas mehr Bildung und weniger Meinung“.
Ehrlicher ist da schon die Antwort des Rappers Sido (der allerdings seinen Ruf des Provokateurs gerecht werden muss): „Danke für die Titt’n“
5 Kommentare:
http://faulit.blog.de/2009/06/29/sascha-lobo-gott-6421832/
Sehr schön!
Danke.
Lieber Jürgen,
warum so gehässig? Ich finde diese Stellungnahme von Sascha Lobo eigentlich sehr nachvollziehbar:
http://saschalobo.com/2009/07/14/vodafone/
Warum sollte denn zwangsläufig totale Käuflichkeit damit einhergehen? Er hat sich in dem Spot von Vodafone doch nicht in Gänze verhurt, sondern nur den Teil, der ohnehin in den Bereich des Geldverdienens fällt.
Mir persönlich geht diese ganze Diskussion zu weit, wenngleich abzusehen war, dass sie losgetreten wird. Und es sogar irgendwie auch notwendig ist, dass sie stattfindet. Aber zeigt sich hier nicht auch einfach nur mal wieder der Mob in seiner ganzen Bandbreite?
Liebes Tinchen,
vielleicht ist das auch eine Generationsfrage. Ich weiß nicht, wie alt Du bist. In meiner Generation (Jahrgang 1964) war die Hemmschwelle, sich mit irgendjemandem gleich zu machen, sei es der BILD-Zeitung oder sich irgendwelcher Werbung anzudienen, offenbar noch höher. Letztendlich geht es immer um's Geld allein, und jede andere Argumentation ist nur Scheindebatte. Es ist sicherlich nachvollziehbar, wenn sich Lobo denkt, die Knete nehme ich mit. Nur damit ist sein Ruf eines unabhängigen Analytikers und Repräsentanten der freien Bloggerszene für mich einfach angegriffen. Schon mit seiner Frisur zeigt er, dass es ihm immer auch um anderes ging, nämlich um eine clevere Selbstvermarktung.
Wenn Du sagst, in der Ablehnung von Lobos Vodafone-Engagement zeige sich der Mob in seiner ganzen Bandbreite, würde ich frech entgegnen: Lobo hat sich mit dem Spot in die Arme des spätkapitalistischen Gesindels geworfen :-)
Doch so zu argumentieren ist natürlich altmodisch.
Herzlichst
jueb
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